Mossul
Ich weiß nicht, woher all die Tränen kommen. Unbemerkt- und unaufhaltsam strömen Sie in unversiegenden Rinnsalen über mein Gesicht.
Die Leute dort nennen mich,
was übersetzt "Gischtauge" heißen würde-
denn sie sagen, meine Augen seien wie Brandung, die an Klippen schlägt.
aber in einem Meer weit weg, im Norden,
kühl und doch lebendig.
Ich sehe meine Hände
Dinge tun, ohne dass ich nachdenken kann.
Sie graben durch Schutt, bis ich nicht mehr weiß, wo mein Blut aufhört und anderes anfängt.
Umfangen zitternde andere Hände,
Wärme und Halt gebend.
Ich sehe meine Hände
den Kopf des Kindes halten
dessen Schreie
ich mein Leben lang nicht vergessen werde.
Von weit weg höre ich geraunte Worte
die sich als meine herausstellen
flüsternd
zärtlich wispernd in seine kleine Ohren
dass alles gut wird
und nichts schlechtes werde ihm mehr geschehen.
Diese meine Lügen
kommen wie von selbst über meine Lippen
wie die Tränen aus den Brandungsaugen
und ich wünsche mir nichts mehr,
als dass es Wahrheit werde
Ich sehe unser gemeinsames Blut an meinen Händen
und spüre in Ihnen
Verbindung pulsieren
direkt in diesen kleinen Kopf
Und hätte ich die Kraft-
schreien würde ich:
"Gott, wo bist Du jetzt???"
Aber da ist kein Gott
nur der Nachhall der einschlagenden Kugeln um uns herum
und das langsam schwächer werdende Jammern des Kindes
in meinen Händen
das ich als letzter Mensch dieser Welt begleite
mit Worten
die aus etwas kommen, das ich nicht kannte
ich erkenne jetzt die Wahrheit
ich wollte es nicht sein
doch jetzt hier, bin ich die Wächterin
zwischen den Welten
die mit geht,
wohin alle gehen müssen
sanft bettet
wohin sich niemand legen will.